Mount Fuji (富士山, Fujisan) ist mit 3’776 m Höhe Japans höchster Berg. Diesen perfekt geformten, von den Japanern heiss geliebten und tief verehrten Vulkan habe ich bestiegen, ja, ich, der bis anhin lieber mit einem Motorrad durch die Bergwelt gedüst ist. Zugegeben, Motorrad fahren ziehe ich dem Wandern immer noch vor, aber beides muss sich ja nicht unbedingt gegenseitig ausschliessen. Nach meinem tollen Aufenthalt in Tokyo fuhr ich am 11. September 2015 mit dem Zug nach Fujikawaguchiko, eine kleine Stadt nördlich vom Fujisan. Im dortigen Hostel, das empfehlenswerte K’s House Mt. Fuji, lernte ich gleich bei Ankunft den Engländer Brian kennen, der mir von seiner Idee den Fujisan durch die Nacht hindurch zu besteigen erzählte. Hmmm, interessant, ich wollte eigentlich am nächsten Tag früh morgens auf den Fujisan, aber weil bereits Mitte September war wurden die Busverbindungen zur 5th Station hinauf drastisch reduziert, was eine Besteigung während des Tages leider verunmöglichte, da der erste Bus erst um 10.00 Uhr in Fujikawaguchiko abfuhr. Ab jetzt musste man für eine Tagestour auf den Gipfel am Morgen ein Taxi zur 5th Station nehmen, was aber sehr teuer ist, laut Hostel ungefähr 14’000.- YEN. Nachdem mir Brian noch vom Sonnenaufgang auf dem Gipfel erzählte – laut diversen Informationsquellen DAS thing to do auf dem Fujisan – war ich von seiner Idee begeistert und folgte ihm mit dem letzten Bus hinauf zur Yoshida 5th Station. Dort gammelten wir im Restaurant herum, ein Ort der Wärme und heissen Getränken, bis dieses um 20.00 seine Türen schloss. Genau dann starteten wir mit unserer Fujisan Besteigung. Nicht aber bevor ich mich am Nachmittag im Hostel mit zwei Regenjacken ausrüstete, die andere Reisende dort liegen liessen, und nachdem ich im überteuerten Souvenir Shop bei der 5th Station noch einen Faserpelz kaufte. Es herrschten nämlich bereits bei der 5th Station auf 2’305 m Höhe ziemlich frische Temperaturen, und meine Wanderausrüstung bestand lediglich aus dünnen Joggingschuhen, normalen Stoffhosen, einem atmungsaktiven T-Shirt unter einem normalen T-Shirt, dünnen Handschuhen, einer Skimütze, einem Schal und meinem Adidas Jäckchen, nicht gerade Profi Material um Japans höchsten Berg kurz nach Ende der regulären Wander-Saison zu erklimmen…
Nach ca. 1,5 Stunden wärmten wir uns in einer der ersten Hütten bei der 7th Station auf (2’700 m). Diese Hütte war die mit Abstand freundlichste zu uns “Kurzbesuchern”, für je 400.- YEN kriegten wir einen heissen Kaffee und durften 30 Minuten in der molligen Wärme der Hütte verbringen. Nach 35 Minuten und einem netten Gespräch mit der jungen Chinesin – die dort die ganze Saison über arbeitete, und zwar ohne je den Fujisan zu verlassen! – schmiss uns ihr Boss wieder raus in die Kälte, brrrrr. Irgendwo bei einer der letzten Hütten der 7th Station rasteten und dösten wir nach einer weiteren Stunde Aufstieg draussen im Windschatten für ca. 50 Minuten, wir wollten nämlich nicht Stunden vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel ankommen. Als wir uns danach erhoben und weiter wanderten, froren und schlotterten wir doch etwas, aber nach 10 Minuten hatten wir schon wieder warm, dank dem überraschend anstrengenden Aufstieg. Ich meine, der Fujisan ist nicht wirklich schwer zu besteigen, aber es gibt einige durchaus steile Passagen über Felsen und in der Dunkelheit der Nacht mit einer kleinen LED Taschenlampe bewaffnet haben diese Abschnitte durchaus ihre Tücken. Bei der 8th Station (3’020 m) tranken wir nochmals einen heissen Kaffee und standen im Eingangsbereich der Hütte, um etwas von der ausströmenden Wärme zu erhaschen. Die meisten Hütten waren ausgebucht, aber wir blieben draussen in der Kälte weil die Angestellten in den Hütten nur Personen einliessen, die den Preis für eine ganze Nacht bezahlten, und zwar um die 6’000.- YEN für einen “Schlafplatz” auf dem Holzboden! Und wir waren nie kurz vor dem Erfrieren, es war halt einfach kalt, aber zu keinem Zeitpunkt zu unangenehm, um den Monopolisten von warmen Rastplätzen einen unverschämt hohen Preis zu bezahlen, elende Nachfrage-Angebot Preisspirale!
Der Sternenhimmel während des Aufstiegs war wunderschön, ich habe zig Sternzeichen in voller Pracht gesehen und nach langer Zeit wieder einmal die Milchstrasse erblickt, alleine dieser Anblick war es wert, die ganze Nacht hindurch den aktiven Vulkan Fuji zu besteigen. Ausserdem hatten wir einige lustige und interessanten Gespräche mit anderen Wanderern, hauptsächlich Japaner, zwei Neuseeländer und ein US-Amerikaner.
Je höher wir kamen, desto dichter wurde der “Verkehr”, und die letzten zwei hundert Höhenmeter ab der ehemaligen 9th Station mussten wir doch tatsächlich Schlange stehen, um auf den Gipfel zu gelangen! Wir erreichten Top of Fujisan um 4.40 am, die Dämmerung setzte gleich nach Ankunft langsam ein, es war unglaublich schön zu sehen, wie der Himmel seine Farben veränderte und alles heller wurde. Dann, um ca. 05.20 erhob sich die Sonne aus dem Wolkenmeer, ein ergreifender Moment. Die Szenerie glich dem Blick aus einem fliegenden Flugzeug, so hoch fühlte es sich über dem Wolkenmeer an! Alle Zuschauer waren still und genossen die ersten Sonnenstrahlen, danach wurden Glückwünsche ausgetauscht und Hände geschüttelt. Brian und ich schauten uns noch den Krater an, aber für eine Umrundung waren wir zu müde und es war einfach sau kalt, es herrschte ein starker und Wärme entziehender Wind, kaum aus dem Windschatten heraus fingen wir (wieder) an zu frieren!
Trotz High Tech Trekking Equipment froren auch viele der gut ausgerüsteten Japaner, und so machten sich ca. 50 Minuten nach Sonnenaufgang die meisten Leute wieder an den Abstieg. Dieser war echt mühsam, die meiste Zeit stolpert und rutscht man einen steilen Weg voller losem Geröll hinunter, da war der Aufstieg mit seinen vielen, wirklich vielen und nie gleich hohen Stufen fast eine Wohltat 🙂
Für den Aufstieg benötigten wir 6 Stunden reine Wanderzeit, also ohne unsere Aufwärm-Pausen oder die vielen kleinen Stops um den Sternenhimmel zu bewundern. Für den Abstieg brauchten wir lediglich 2.5 Stunden. Den Fujisan habe ich übrigens nie “ganz” gesehen, er versteckte sich die ganze Zeit hinter einer Wolkendecke, kleiner Feigling! Von der 5th Station aus sah ich den Gipfel, vom Gipfel aus sah ich hinunter auf die Wolkendecke, beim Abstieg sah ich wieder bis zur 5th Station hinunter. Einzig während der Nacht sah man bis Fujikawaguchiko hinunter, aber Fujisan selber glich dann einfach einer schwarzen Masse. Überhaupt ist Fujisan von Nahem betrachtet keine Schönheit, Geröll, Steine und sonst nix besonderes. Am besten sieht er aus, wenn man ihn von der Ferne betrachtet, aber er zeigt seine dreieckige Pracht äusserst selten, wie schon gesagt, er verbirgt sich gerne hinter Wolken. Und natürlich ist die Aussicht vom Gipfel eine Wucht!
Die Fujisan Besteigung ist ganz klar eines meiner Highlights in Japan. Highly recommended!!