Nach dem Fujisan Abenteuer fuhren Brian und ich am 13. September 2015 nach Kyoto, bekannt für seine vielen Tempelanlagen und Shinto Schreine. Auf dem Kyoto Tower lernte ich Chris aus Deutschland kennen, der alleine in Kyoto unterwegs war und sich Brian und mir spontan für die nächsten vier Tage anschloss. Am ersten Abend assen wir Okonomiyaki, eine Art japanische Pizza, ein flaches Etwas, bestehend aus (Pfannkuchen-)Teig und Kohl, angereichert mit Zutaten nach Wahl, die je nach Region anders ausfallen können, wie Meeresfrüchte, Rind- oder Schweinefleisch, Poulet, Käse, Frühlingszwiebeln und mehr. Unsere Okonomiyaki wurden halb fertig gebraten an unseren Tisch gebracht, wo wir sie auf einer heissen Platte, die in der Mitte des Tisches eingelassen ist, nach unserem Geschmack fertig brieten. Ein Besuch in einem Okonomiyaki Restaurant gehört meiner Meinung nach zu jedem Japan Besuch, wie Sake trinken oder Sushi essen! Während den nächsten Tagen besuchten wir diverse Tempel und Schreine, allesamt schön und eindrücklich, aber nach dem zehnten Tempel bzw. Schrein sehen meiner Meinung nach doch alle irgendwie sehr ähnlich aus… Hervorzuheben sind aber ganz klar die Tempelanlage Kinkaku-ji (Golden Pavilion) und der Shinto Schrein Fushimi-Inari Taisha, wo mehrere Wege, gesäumt von tausenden, scharlachroten Torii (Eingangstor zu einem Schrein), auf den Berg Inariyama und zu mehreren Friedhöfen führen. Der 4 km lange Aufstieg durch die vielen Torii lohnt sich allemal, alles ist super fotogen und die Tore versprühen eine geheimnisvolle und mystische Atmosphäre. Leider war das Wetter an diesem Tag nicht nett, es regnete viel, aber dadurch liessen wir uns nicht von einem Besuch dieses wirklich tollen Schreins abhalten. Am letzten gemeinsamen Abend besuchten wir ein Karaoke Studio, wo wir uns die Lungen aus dem Leib sangen, hach, Karaoke macht wirklich Spass, erst recht in Kombination mit einer drink-as-much-as-you-can flate rate 🙂 Danach besuchten wir noch diverse kleine Bars, darunter eine “echte” Karaoke Bar, wo wir mit Japanern um die Wette sangen! Ein mega witziger Abend mit tollen neuen Freunden, genau solche Momente machen meine Reise zu einem unvergesslichen Abenteuer!
Nach Kyoto ass ich Kobe Beef von bester Qualität in Kobe, ein kulinarisches Highlight. Aber ich muss zugeben, dass ich das magere Filet, das bei uns am teuersten ist, dem “fettigen” Kobe Beef vorziehe. Klar, Kobe Beef schmeckt hervorragend, aber der hohe Fettgehalt in Form der berühmten Marmorierung mit dünnsten Fettäderchen gibt dem Fleisch einen, nun ja, fettigen Geschmack. Im Restaurant Kobe Steak Garaku wurden meine beiden Fleischstücke – ein exzellentes Entrecôte und ein super edles Stück Kobe Beef – direkt vor meinen Augen auf einer heissen Platte zubereitet, und zwar “saignant” wie ich es fachmännisch bestellte, worauf der Koch und der Oberkellner mit “Ohhhhhhh, you french?” reagierten 🙂 Nach dem Sushi Frühstück auf dem Fischmarkt in Tokyo mein zweit teuerstes Gericht in Japan, aber jeden YEN wert!
Nach meiner Fuji Besteigung vor ein paar Tagen lernte ich im Hostel in Fujikawaguchiko Kristian aus Finnland kennen, und dank Facebook konnten wir in Kontakt bleiben und uns am 20. September 2015 in Onomichi wieder treffen, wo wir erneut im gleichen Hostel abstiegen. Onomichi ist eine sympathische kleine Hafenstadt am Seto-Inlandsee, ich fühlte mich dort sehr wohl, und der Tempel Senko-ji auf dem Hügel bot eine wunderbare Aussicht auf Onomichi und die Insel Mukoujima. Am nächsten Tag mieteten wir Fahrräder um auf dem berühmten Fahrradweg Shimanami Kaido zu fahren. Die Strecke führt von Insel zu Insel über insgesamt 6 Brücken bis nach Imabari auf Shikoku, insgesamt etwas über 70 km. An der Mietstation in Onomichi durften wir uns in eine lange Warteschlange von über hundert Japanern einreihen: es war nämlich “silver week” (japanische Ferien), und gefühlt halb Japan wollte den Fahrradweg in Angriff nehmen. Wir waren zwar über die Ferientage informiert und gingen entsprechend früh morgens kurz nach der Öffnungszeit zur Mietstation, aber trotzdem wurden wir vom Andrang überrascht. Somit wurde die anvisierte frühe Abfahrtszeit nach hinten verschoben, wir starteten erst um 11.00. Wir hatten für die kommende Nacht noch keine Unterkunft gefunden, wegen den japanischen Ferien war alles restlos ausgebucht, weder im Internet noch über die nette Dame vom Tourist Information Center konnten wir etwas finden. Und weil wir unsere Tour erst gegen Mittag starten konnten, brach ich die Überfahrt nach knapp der Hälfte ab und fuhr per Anhalter zurück nach Onomichi – wo wir ohnehin unser Gepäck lagerten – um im selben Guesthouse, in dem wir die letzte Nacht schliefen, nochmals um eine Schlafgelegenheit zu betteln. Zum Glück war die Chefin sehr flexibel (und/oder geschäftstüchtig) und so durften wir im zwar komplett ausgebuchten Guesthouse noch zwei Futons irgendwo dazwischen quetschen. Ich platzierte meinen Futon auf der Tatami Matte im Eingangsbereich, während sich Kristian – der die Fahrradtour beendete und erst nach 22.00 Uhr erschien – zwischen den allesamt japanischen Gäste niederliess. Natürlich spendierte mir Kristian am selben Abend ein paar Biere, schliesslich hatte er dank meinem Verzicht die Fahrradtour zu beenden eine Schlafgelegenheit erhalten 🙂
Am 22. September 2015 fuhren Kristian und ich weiter nach Hiroshima, jedem bekannt wegen der Atombombe “Little Boy”, die am 6. August 1945 von den Amerikanern um 08.15 über der Stadt abgeworfen wurde. Gleich nach Ankunft besuchten wir die südlich gelegene Schrein Insel Miyajima, wo wir das wohl berühmteste Torii in ganz Japan bestaunten, das “Floating Torii” vom Shinto Schrein Itsukushima-jinja. Das Tor stand nur ca. 40 cm unter Wasser, was uns dazu verleitete, die Schuhe auszuziehen und zum Tor zu waten, wo wir eine Münze in die Ablagerungen des Tores pressten und uns was wünschten, ganz profane Dinge wie die Weltherrschaft und ewige Jugend. Das Miyjima Tor gehört zu den “Japan’s three most scenic places (nihon sankei)“, und ist dementsprechend eine der am meist besuchten Sehenswürdigkeiten in Japan, was wir unschwer an den Massen an Besuchern verifizieren konnten. Auf der Insel erklommen wir noch den Berg Misen, welcher eine sehr schöne Aussicht auf die Bucht von Hiroshima bietet. Am nächsten Tag besuchten wir das Peace Memorial Museum, den Peace Memorial Park, den Atomic Bomb Dome und die Hiroshima National Peace Memorial Hall for the Atomic Bomb Victims. Puhh, schon krass, was die Atombombe vor 70 Jahren alles angerichtet hat… im Museum war die Stimmung sehr gedrückt und viele der älteren Besucher weinten. Wir waren nach dem Besuch auch sehr ernst/nachdenklich/tief berührt, erst nach einem feinen Okonomiyaki Essen kam unsere gute Stimmung zurück. Es ist erstaunlich, wie “normal” Hiroshima wirkt resp. ist, ausser den erwähnten Museen und Monumenten weist nichts auf die Tragödie der Atombombenexplosion hin.
Unser nächstes Ziel war die Stadt Beppu auf der südlich gelegenen Insel Kyushu, die wegen ihren vielen Onsen Touristen aus alles Welt anlockt. Wir entspannten uns im Onsen Hoyoland, das neben “normalen” Onsen über zwei schwefelhaltige Schlammbäder im Feien verfügt, eine stinkende und schlammige Erfahrung, voll genial! Leider vergass ich meinen Silberschmuck abzulegen, dieser war nach dem Schlammbad mehr schwarz denn silbrig! Die Onsen in und rund um Beppu sind toll, aber Beppu selber versprüht wenig Glanz, die Stadt ist nicht wirklich hübsch und neben den Thermalquellen gibt es nicht viel zu sehen, nur die Dampfwolken, die überall aus dem Boden steigen, sind speziell. In Beppu trennten sich die Wege von Kristian und mir, ab hier hatten wir unterschiedliche Reisepläne, er fuhr nach Süden während ich nach Westen reisen wollte, und zwar nach Kurokawa Onsen, eines der hübschesten Onsen Dörfer in Japan. Kurokawa Onsen sieht genau so aus, wie Kristian und ich uns Beppu vorgestellt hatten: typische japanische Häuser, kleine Shops und Restaurants, eingebettet in einem grünen Tal, umgeben von Wäldern und durchzogen von kleinen Bächen, einfach perfekt um sich zu entspannen. Im Ryokan “Oku no Yu” bezog ich ein schönes Zimmer für eine Nacht, mit Abstand meine teuerste Übernachtung im ganzen Land, aber es war ein perfekter Aufenthalt, die verschiedenen Onsen des Hotels sind wunderschön gestaltet, darunter eine rotemburo (outdoor onsen) mit Blick auf einen kleinen Wasserfall, und zusammen mit dem grossartigen und vielfältigen Abendessen und Frühstück ist Kurokawa Onsen ganz klar eines meiner persönlichen Highlights in Japan!
Auf Kyushu besuchte ich noch die bekannte Burg in Kumamoto, die zwar nicht ganz an die Burg von Himeji heranreicht (die ich während meiner Reise von Kobe nach Onomichi während einem Zwischenstop besuchte), aber trotzdem sehenswert ist, ich sehe japanische Burgen ja nicht alle Tage.
Die toll gelegene Hafenstadt Kagoshima war der südlichste Punkt, den ich in Japan besuchte. In der Bucht vor Kagoshima liegt der überaus aktive Vulkan Sakurajima, der die Umgebung regelmässig mit einer feinen Schicht Vulkanasche bedeckt und die Bevölkerung immer wieder mit einer kleineren bis mittleren Eruptionen überrascht. Am Fusse des Vulkans, in der Kleinstadt Sakurajimayokoyamacho, konnte ich Schüler auf ihrem Schulweg beobachten, die neben der üblichen Schuluniform alle einen gelben Helm trugen, zum Schutz vor Steinen, die bei einer Eruption durch die Luft fliegen können. Verrückt, wie die Menschen hier Tür an Tür mit einem aktiven Vulkan wohnen!
Ursprünglich wollte ich länger im Süden von Kyushu verweilen, aber da ein Taifun in der nähe von Kagoshima tobte und deshalb einige Zugverbindungen gestoppt wurden, konnte ich weder die Insel Yakushima noch die Stadt Miyazaki besuchen, also fuhr ich halt früher als geplant in den Norden nach Nagasaki, neben Hiroshima die zweite Stadt wo jemals eine Atombombe explodierte. Die Amerikaner warfen am 9. August 1945 die “Fat Man” genannte Atombombe über Nagasaki ab, die um 11.02 explodierte und mehr oder weniger die gesamte Stadt vernichtete. Auch hier ist bemerkenswert, das man von dieser Tragödie nichts mehr sieht oder spürt, die Stadt und Umgebung sehen nicht anders aus als andere japanische Städte. Das Atomic Bomb Museum fand ich eindrücklicher als dasjenige in Hiroshima, wobei beide ziemlich ähnlich sind. Ich hatte das Glück im tollen Hostel Casa Noda zu wohnen, wo ich viele nette Menschen aus aller Welt kennen lernte und die Gelegenheit erhielt, mit ein paar der Angestellten einen “language exchange” Abend zu besuchen, wo ich viele Japaner und einige Expats traf und wir sehr lustige Diskussionen und Gespräche führten. Mit Mathias und Maren aus Deutschland unternahm ich einen Tagesausflug zur Battleship Island (Gunkanjima), eine verlassene Insel südlich von Nagasaki. Die Insel diente als Inspiration für das Hauptquartier des Bösewichts im Film James Bond Skyfall, jedoch nicht als eigentlicher Drehort. Leider regnete es während der Bootstour praktisch non-stop, aber so wirkte die dramatische Kulisse der Insel um so bedrohlicher.
Am 02. Oktober 2015 fuhr ich weiter nach Fukuoka, die grösste Stadt auf Kyushu, wo ich gemütliche drei Tage verbrachte, meine Wäsche wusch, feine tonkotsu Ramen ass (Ramen in Schweine Bouillon), den Sonnenuntergang auf dem Fukuoka Tower genoss und einfach ohne Plan durch die Stadt flanierte, was nach all den Sehenswürdigkeiten der vergangenen Wochen äusserst entspannend war.
Nun bin ich seit zwei Wochen zurück in Sapporo, wo ich in einem Language Studio als Englisch Lehrer arbeite. Ich gebe zwar keinen “echten” Unterricht, aber ich betätige mich als Kindergärtner (1 – 2 jährige Kinder), Geschichtenerzähler (4 – 6 jährige Kinder), wir-gehen-in-den-Park-Begleiter und Gesprächspartner (Erwachsene Japaner). Es gefällt mir hier ausserordentlich gut, es ist echt eine Wohltat, meinen Rucksack mal für zwei Wochen in der Ecke stehen zu lassen 🙂 Im Moment sind wir hier vier Volunteers, Mette aus Dänemark, Akshay aus Indien und Yvandre aus Kanada, eine lustige Truppe. Der Sommer ist hier oben im Norden Japans definitiv vorbei, es herrschen kühle Temperaturen und das Blattwerk erstrahlt in herbstlichen rotbraunen Tönen. Ich hoffe, dass ich die nächsten Tage mit meinen Sommerkleidern überlebe, da ich nur sehr ungern eine Winterjacke kaufen möchte, da ich bald zurück nach Südostasien in wärmere Gefilde fliege. The adventure continues…
Mensch, wenn ich deinen Bericht lese würde ich am liebsten sofort in den nächsten Flieger steigen. Du lässt ja nun wirlich nichts aus. Toll
Bin auf die nächsten Berichte gespannt.
Gruß
Klaus
P.S:Wenn du irgendwann an die Goldküste kommst, dann kann ich dir ne nette AirBnB Unterkunft empfehlen.
Lieber Michi
Alles sehr schön und eindrücklich. Gerade der Bericht aus Kyoto erinnert mich an meine letztjährige Japanreise…!!
Hab weiterhin viel Spass, wahnsinnig wie die Zeit vergeht….
Liebe Grüsse
Philipp